Färberei Hermann Paul

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Die Geschichte der Färberei Paul in Kirschau ist eine Familiengeschichte. Gegründet wurde der Betrieb durch den damals 35-jährigen Hermann Paul, der bis dahin als Expedient bei der Decken- und Scheuertuchweberei Gebrüder Friese beschäftigt war. Bis 1903 gab es zwar bereits eine Vielzahl von einzelnen Webereien in dem kleinen Ort Kirschau, jedoch noch keine Färberei.

Mit einem Darlehen seines Jugendfreundes Reinhold Friese kaufte Hermann Paul ein spreenahes Grundstück sowie die erste Grundausstattung der Färberei. Im August 1903 konnte die erste Partie an „loser Baumwolle“ für die Gebrüder Friese gefärbt werden. Nur ein einziger Arbeiter war im Gründungsjahr angestellt, in den ersten Firmenjahren mussten die Ehefrau und die drei Kinder Karl, Frieda und Martha nach dem Schulunterricht tüchtig mithelfen. Bald zählten auch andere Betriebe aus Kirschau und Umgebung zu den Auftraggebern der Färberei Paul und weitere Arbeiter konnten eingestellt werden.

Sohn Karl wurde auf die Gewerbeschule nach Chemnitz geschickt und trat 1913 als Färbereitechniker in den Betrieb des Vaters ein. Der große Aufschwung der Färberei kam nach dem 1. Weltkrieg. Die Garnfärberei wurde zum Schwerpunkt der Firma. Um den Webereien die gefärbten Garne anbieten zu können, wurde der Garnhandel aufgebaut und schon bald konnte der Kundenkreis auf ganz Mittelsachsen ausgeweitet werden. Bis 1938 wuchs der Umsatz um das Zehnfache.

In den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kleiderfärberei mit angeboten. Das sicherte die Beschäftigung und das Fortkommen der Firma. Zur ersten kleinen Nachkriegs-Weihnachtsfeier 1945 erhielt jeder Beschäftigte drei Meter Anzugsstoff, sechs Paar Socken oder Damenstrümpfe, zwei Paar Handschuhe, eine Mütze oder zwei Handtücher und 30 Mark. In diesen Nachkriegszeiten, in denen es an allem mangelte, waren das ganz besondere Geschenke.  

Die neue Staatsführung versuchte in den Folgejahren, die kleinen Privatbetriebe zur Aufgabe zu zwingen. In der Firmenchronik von Karl Paul steht dazu geschrieben: „Der Kurs der Regierung und der Sozialistischen Einheitspartei ging seit Anfang des Jahres 1953 dahin, alle noch privaten Betriebe zu enteignen. Dazu wurden verschiedene Mittel angewandt, irgendetwas wurde immer gefunden, Sabotage war ein beliebtes Schlagwort. Viele Unternehmer der Umgebung verließen deshalb ihre Betriebe im letzten Moment vor der Verhaftung, oder sie wurden eingesperrt.“ Erst mit dem noch 1953 eingeschlagenen „Neuen Kurs“ der Regierung der DDR wurden die Beschwernisse für die Privatindustrie weniger. Der Bedarf an Färbekapazität stieg, so dass von 1954 bis 1990 zwei-, zeitweise sogar dreischichtig im Betrieb gearbeitet wurde.

1954 kam auch der Enkel des Firmengründers, Karl-Heinz Paul, nach seinem Studium zum Textilingenieur in die Firma zurück. Viele Investitionen folgten und die Färberei Paul zählte bald zu den leistungsfähigsten Veredelungsbetrieben für Garne in der gesamten DDR. Zum 1. Mai 1972 wurde der Betrieb dann doch in Volkseigentum überführt und nannte sich nun VEB Textilveredelung Kirschau. Karl-Heinz Paul blieb Betriebsleiter. 1980 wurde die Färberei dem VEB Frottana Großschönau unterstellt und deckte fortan fast den gesamten Bedarf an Buntgarnen für Frottana ab.

Mit der Wende endet auch die Familiengeschichte der Färberei Paul. Die Gebäude wurden reprivatisiert und werden heute durch die ODS GmbH genutzt.  

Audioguide:
Himmelblau & Zinnoberrot – Die Geschichte einer Familienfärberei

Ehemalige Färberei Hermann Paul
ODS GmbH
Lessingstraße 7
OT Kirschau
02681 Schirgiswalde-Kirschau